Kontext:
Gerade in einem einheitlichen Wirtschaftsraum stellt die internationale Doppelbesteuerung eine erhebliche Beschränkung der grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Tätigkeit dar und steht den europäischen Grundfreiheiten damit entgegen. Die jeweiligen nationalen Regelungen, die zur doppelten Besteuerung führen, unterliegen regelmäßig der Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die Entscheidungen des EuGH wirken damit mittelbar auf die zwischenstaatliche Steuerverteilung ein und beschränken so die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten.
Inhalt:
Die am Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht bei Prof. Dr. Rainer Wernsmann an der Universität Passau erstellte Dissertation ist nach einer Einführung in das Thema sowie der Darstellung zum Gang der Untersuchung in fünf Teile gegliedet. Teil eins behandelt die direkten Steuern im Zusammenhang mit Unionsrecht. Im Einzelnen werden die Grundfreiheiten des Binnenmarktes, wie die Niederlassungs- sowie die Kapitalverkehrsfreiheit, dargestellt und die Grundlagen für eine besondere Prüfungssystematik vorbereitet. Fälle der Verletzung von europäischen Grundfreiheiten durch Diskriminierung sowie die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Eingriffen in eine Grundfreiheit werden im Detail erläutert. Das geltende Sekundärrecht sowie die unionsrechtlichen Vorgaben an eine gerechte zwischenstaatliche Steuerverteilung werden aufgezeigt. Teil zwei betrachtet die Problematik der internationalen Doppelbesteuerung im Binnenmarkt sowohl für die Ertrag- als auch die Erbschaft-/Schenkungsteuer. Anhand beispielhafter EuGH-Entscheidungen von insbesondere klassischen Doppelbesteuerungsfällen und Fällen der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, ist der aktuelle Stand der Rechtsprechung sowie Auffassung der EU-Kommission aufgezeigt. Im Schwerpunkt der Arbeit, dem dritten Teil, wird die Grundrechtswidrikeit anhand der juristischen Doppelbesteuerung besprochen. Es geht dabei um Binnenmarktstörungen, eingriffsbegründende Schlechterstellungen, dem Verbot der Doppelregulierung sowie den grundfreiheitsrechtlichen Verteilungsmaßstäben. Dabei werden die in der Praxis häufig als unrecht empfundenen Treaty Overrides analysiert sowie tragende Besteuerungsprinzipien wie das Territorialitätsprinzip, das Leistungsfähigkeitsprinzip, die grundfreiheitsrechtliche Meistbegünstigung sowie die OECD-Empfehlungen ausführlich erläutert. Teil vier ist der Untersuchung der Grundfreiheitswidrigkeit der internationalen wirtschaftlichen Doppelbesteuerung gewidmet. Im Fokus steht dabei die grenzüberschreitende Dividendenbesteuerung. Ein Exkurs in Teil fünf ist einer wenig beachteten und zwischenzeitlich aufgehobenen primärrechtlichen Regelung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gewidmet. Die Dissertation endet mit einem abschließenden Teil, mit dem die Ergebnisse der Arbeit sowie ein Ausblick gegeben werden.
Empfehlung:
Die wissenschaftliche Arbeit von Riedl untersucht, systematisch getrennt nach juristischer und wirtschaftlicher Doppelbesteuerung, die Vorgaben der internationalen Besteuerung innerhalb der Europäischen Union. Das Werk stellt einen gelungenen Beitrag für die Wissenschaft dar, ist aber auch für den Steuerpraktiker, der grenzüberschreitende Steuerthemen in der Tiefe und die Rechtsprechung des EuGH wirklich verstehen will, eine spannende Lektüre.
Die internationale Doppelbesteuerung im EU-Binnenmarkt
Riedl
Hardcover, 338 Seiten
Dissertation, erschienen 2012 im Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-631-62222-3